Zu unseren treuesten Präsentatoren auf der Hamburger Tactica gehören die Jungs (und inzwischen auch Mädels) des Spieltrieb Frankfurt.
Für 2012 haben die Spieltriebler sich ein Thema mit mittelalterlichem Lokalkolorit ausgesucht. Wie es zu diesem Projekt kam, erzählen sie selbst:
Thema
Am Samstagabend der Tactica 2011, nachdem die Besucher den Veranstaltungsort verlassen hatten, saß der harte Kern des Frankfurter Spieltriebs am Spieltisch zusammen. Während das leckere Essen vom Buffet in den Bäuchen verdaute, wurde bereits eifrig über das Projekt des Folgejahres fabuliert. Alsbald drehte sich das Gespräch um drei Schlagworte: Das Regelwerk „Impetus“, Maßstab „28mm“ und die Epoche „Mittelalter“.
Der historische Hintergrund wurde schnell auf zwei Alternativen eingegrenzt, nämlich „Die Belagerung von Antiochia im ersten Kreuzzug“ und „Kronberger Fehde“. Bei letzterem handelt es sich um einen wirtschaftspolitischen und militärischen Konflikt zwischen der Stadt Frankfurt und benachbarten Rittern, der sich im Frühjahr 1389 zutrug. Beide Themen spukten bereits länger in den Köpfen der Spieltriebler herum.
Doch das Mittelalter kam bei uns nie so richtig in Schwung. Was bislang fehlte, war ein Regelsystem, mit dem sich mittelalterliche Schlachten spielen lassen und das uns vom Spielgefühl her zusagt.
Warhammer Ancient Battles und DBA haben bei uns keine Lobby gefunden. Mit Field of Glory liebäugeln wir ab und zu aber wirklich etabliert hat es sich in Frankfurt noch nicht.
Auf die Impetus-Schiene kam man hier ursprünglich über die Fantasy-Erweiterung des Regelwerks, weil man nach einer Alternative zu „Ringkrieg“ suchte.
Die folgenden Wochen waren geprägt von einer nervenaufreibenden Entscheidungsneurose. Die Spieltriebler lagen nachts wach und warfen sich in den Betten hin und her, wobei sie immer wieder vor sich hinmurmelten: „Antiochia oder Kronberger Fehde … Wüstenplatten oder hessische Frühlingslandschaft … Miniaturen von Kreuzzüglern oder solche mit Hundsgugel-Helmen; egal, Hauptsache von den Perrys …“
Letztlich gewann der Lokalpatriotismus die Oberhand. Wir entschieden uns für das Thema „Kronberger Fehde“.
Geschichtlicher Hintergrund der Kronberger Fehde
Vor zwei Jahren zog die Deutsche Börse von Frankfurt ins benachbarte Eschborn um, angelockt vom geringen Gewerbesteuersatz. Dies sorgte für Unmut in der Bankenmetropole. Nicht zuletzt deshalb, weil mit der Börse nicht nur ein traditionsreiches Großunternehmen abwanderte sondern auch eine Menge Einnahmen für den Stadtsäckel.
Wirtschaftliche Interessenskonflikte zwischen Stadt und Umland haben eine lange Geschichte, zu der auch die „Kronberger Fehde“ anno 1389 gehört.
Damals gab es Veränderungen in der Gesellschaft, die Menschen des 14. Jahrhunderts in ähnlicher Weise bewegt haben mögen wie heutzutage die Globalisierung: der Wandel von der Naturalwirtschaft zur Geldwirtschaft. Einstmals weit oben in der naturalwirtschaftlichen Hierarchie angesiedelt, ging es allmählich bergab mit dem Landadel. Dazu kam, dass die Ritter in einer ihrer Kernkompetenzen, nämlich dem Kriegshandwerk, zunehmend den Konkurrenzdruck des aufkommenden Söldnerberufs zu spüren bekamen.
Dagegen wuchs die Macht des Geldes und somit der wohlhabenden Städter, die es verstanden, ihr Geld zu vermehren.
Angesichts dieser Lage suchten verarmte Adlige nach Möglichkeiten am städtischen Wohlstand mitzuverdienen. Und so manch lukrativer Nebenverdienst fand sich im Rahmen des mittelalterlichen Fehderechts. Rund 500 Jahre später sollte man dafür den umstrittenen Begriff „Raubrittertum“ erfinden.
Die reichen Frankfurter Pfeffersäcke konnten sich mit ihrem Geld vieles kaufen. Auch Frieden vor umtriebigen Rittern, wenn es sein musste. Im Frühjahr 1389 beschlossen die Frankfurter Patrizier sich den Frieden ausnahmsweise mal nicht zu erkaufen sondern zu erkämpfen. Und so griffen Kaufleute und Handwerker zu den Waffen, staubten ihr Rüstzeug ab und zogen gen Kronberg, unterstützt von einigen Söldnern.
Zunächst demonstrierten sie ihre Schlagkraft, indem sie mit äußerster Tapferkeit Esskastanienbäume entrindeten. Anschließend belagerten sie die Kronberger Burg und schlugen einen Ausfall zurück. Doch Boten schlüpften durch die Reihen der Belagerer und holten Verstärkungen aus der Pfalz und Hanau herbei. Am darauffolgenden Tag, dem 14. Mai 1389, zogen sich die Frankfurter zurück. Auf den Feldern bei Eschborn mussten sie sich den verfolgenden Kronberger Rittern und ihren Verbündeten zum Kampf stellen. Die Zahlenangaben in den historischen Quellen sind unterschiedlich und mit Vorsicht zu genießen, doch alles deutet darauf hin, dass die Frankfurter um ein Mehrfaches in der Überzahl waren. Es gelang ihnen der ersten Angriffswelle standzuhalten. Doch bei einem erneuten Ansturm der Ritter verbreitete sich Panik in den Reihen der Städter. Die Schlacht artete in eine wilde Flucht aus. Etliche Gefallene, Hunderte von Gefangenen und enorme Lösegeld- und Reparationszahlungen waren die Folge.
So viel in aller Kürze. Kenner des Mittelalters mögen mir meinen hemdsärmligen Umgang mit der Geschichte nachsehen. Eine fachkundige und ausführliche Darstellung gibt’s auf Wikipedia: http://de.wikipedia.org/wiki/Kronberger_Fehde
Ortsbegehung
Und wieder einmal zogen einige Frankfurter gen Kronberg. Und diesmal gelangten sie sogar in die Burg … aber nicht mittels Waffengewalt und Belagerungsgerät sondern durch den Erwerb von Eintrittskarten.
Am 14. Mai 2011 machte der Spieltrieb eine Exkursion zum Ort des Geschehens. Zuerst stand ein Besuch der Burg Kronberg auf dem Programm, wo wir eine Sonderführung gebucht hatten.
„Wissen Sie denn, welcher Tag heute ist?“ fragte uns der Burgführer. Wir wussten es: der 622. Jahrestag der Schlacht von Eschborn. Der Burgführer, sichtlich erfreut darüber, es mit geschichtlich passionierten und vorgebildeten Besuchern zu tun zu haben, versorgte uns mit allerlei interessanten Informationen. Ein Höhepunkt der Besichtigung war eines der drei noch existierenden Gemälde der Schlacht. Wie es der Zufall wollte, war auch eine Expertin vor Ort, die sich mit der Erforschung dieser Gemälde beschäftigt hatte. Sie konnte uns noch weitere Details erzählen.
Am Nachmittag machten wir uns per Fahrrad auf dem Weg von Kronberg zum „Streitplacken“, wie die Gemarkung des ehemaligen Schlachtfelds heißt. Der Streitplacken liegt zwischen den Gemeinden Eschborn und Steinbach. Bei aller Begeisterung für historisches Lokalkolorit muss man leider sagen, dass der Ort des Geschehens heute ein beschaulicher Kartoffelacker ist. Nichts weist auf Schweiß, Blut und Tränen hin, die einst auf diesem Boden vergossen wurden. Auch der Landregen, der während unserer Radtour dorthin einsetzte, ließ die Örtlichkeit nur unwesentlich spektakulärer wirken. Aber weder Kartoffeln noch Regen hinderten El Commandante daran, uns eine kurzen Vortrag zum Verlauf der Schlacht zu halten.
Durchnässt aber bereichert an Wissen radelten wir schließlich nach Eschborn, jenem Dorf, das früher den Kronberger Rittern gehörte und heute im Schatten mächtiger Bürogebäude liegt. Dort ließen wir den Ausflug ausklingen bei Kaffee und Kuchen und Bier.